INTERVIEW

«Katharina Mückstein hat eine sehr klare Autorinnen-Handschrift.»

Nach Talea (2012) hat Katharina Mückstein erneut einen Spielfilm mit Sophie Stockinger als Protagonistin entwickelt. In ihrem neuen Film L'Animale steht Mati, eine 18-jährige, im Mittelpunkt, deren Leben nach einer unspektakulären Jugend am Land plötzlich neue Richtungen einschlägt. Die Dreharbeiten wurden im September 2016 abgeschlossen. Ein Gespräch mit den Produzenten Michael Kitzberger und Flavio Marchetti.
 
 
Man verweist oft und gerne darauf, wenn Spielfilm-Debüts am Entstehen und in der Verwertung sind. Seltener setzt man den Fokus auf die zweiten Filme, auch wenn sie besonders nach einem erfolgreichen Debüt die entscheidenderen für eine weitere Karriere sind. Wie gelangte Katharina Mücksteins zweites Projekt L’Animale nach Talea ins kleine, feine Spielfilmprogramm der NGF Geyrhalterfilm?
 
MICHAEL KITZBERGER: Unsere Zusammenarbeit entstand durch eine Drehbuch- und Projektentwicklung. Katharina Mückstein kam vor ca. zwei Jahren mit einem Stoff zu uns, der als Nachfolgeprojekt zu Talea geplant war. Sie wollte einen weiteren Film mit der sehr jungen Sophie Stockinger machen, die schon in Talea ihre Protagonistin war. Das ursprüngliche Projekt Lealista, das auch mit einem START-Stipendium des BKA unterstützt wurde, entwickelte sich zu Mati und schließlich zu L’Animale weiter. Richtig ist, dass durch den Erfolg von Talea, der u.a. in Saarbrücken den Preis der saarländischen Ministerpräsidentin gewonnen hatte und auf zahlreichen Festivals gelaufen war, der Erwartungsdruck auf diesem Projekt für Katharina und auch für uns hoch war. Wir haben zwei Jahre lang entwickelt und auch die dramaturgische Arbeit sehr eng begleitet, vor allem Wolfgang Widerhofer. Für uns war es sehr beeindruckend zu sehen, wie intensiv Katharina an diesem Stoff arbeitete und immer wieder den kritisch-konstruktiven Dialog gesucht hat, um darauf aufbauend weiterzuschreiben.
 
FLAVIO MARCHETTI: Katharinas ursprüngliche Absicht war, möglichst schnell mit Sophie als Teenager einen neuen Film zu drehen und auch den Erfolgswind von Talea zu nutzen. Sie ist aber draufgekommen, dass das Schreiben aufwändiger und langwieriger war; sie war selbst mit Fassungen die gut, aber noch nicht drehreif waren, unzufrieden und entschlossen, weiter daran zu arbeiten, bis wir alle das Gefühl hatten, dass das Projekt für die Herstellungseinreichung reif war.
 
MICHAEL KITZBERGER: Unser gutes Gefühl hat auch umgehend eine schöne Bestätigung erfahren, denn es ist bei allen Fördergremien mit wehenden Fahnen durchgegangen. Sehr leicht fiel uns auch die Entscheidung, den Film in Koproduktion mit La Banda Film herzustellen. Flavio hatte ja bereits eineinhalb Jahre bei uns in der Geyrhalterfilm als Junior Producer gearbeitet, daher gab es ein großes Grundvertrauen, und auch das Wissen um die Qualität, die er und seine MitproduzentInnen Katharina Mückstein, Michael Schindegger (Kamera) und Natalie Schwager (Schnitt) in die Produktionsarbeit einbringen werden - eine tatsächliche Zusammenarbeit und Arbeitsteilung, als Modell auch für eine Kooperation zwischen etablierten und jüngeren Produktionsfirmen.
 
FLAVIO MARCHETTI: Wir haben Talea als La Banda Film produziert und uns dabei total im Low-Budget-Bereich bewegt. Damals haben wir viel selbst gemacht und hatten die Unterstützung von einigen etablierten Leuten wie z.B. Monika Buttinger, die auch für L’Animale wieder das Kostümbild macht. Es war für uns alle klar, dass wir uns nicht noch einmal dermaßen selbst ausbeuten können und wir fragten uns diesmal, was gegen ein „normal“ dotiertes Budget spreche, Katharina als Regisseurin und wir alle als ProduzentInnen hatten schon einmal bewiesen, dass wir imstande sind, einen guten Film zu realisieren. Die Kooperation mit der NGF hat uns das ermöglicht und war dabei unheimlich bereichernd.

 
Wie sehr hat sich die Geschichte vom ursprünglichen Lealista-Stoff im Laufe der Entwicklung entfernt?
 
FLAVIO MARCHETTI: Die Grundstruktur mit der Hauptfigur ist geblieben, die Nebenrollen und die Rahmenhandlung haben sich sehr stark verändert.
 
MICHAEL KITZBERGER: Die zweite Entwicklungsstufe, Mati, spielte in einem Umfeld mit Pferden. Das hat sich nun in L’Animale zu einer Motocross-Gang entwickelt. Das Projekt hat quasi an Pferdestärken zugelegt. Die Grundidee, ein Mädchen auf dem Weg, eine junge Frau zu werden und somit in ihrer Identitätsfindung zu begleiten, ist der Kern der Geschichte geblieben. Da Katharina immer auch Sophie Stockinger als Protagonistin mitgedacht hat, hat sie auch deren persönliche Entwicklung berücksichtigt. Sophie, die bei Talea 14 war, hat nun gerade maturiert.
 
 
Die bisherigen Spielfilm-Regisseure, mit denen die NGF Geyrhalterfilm zusammengearbeitet hat, Benjamin Heisenberg, Markus Schleinzer, Barbara Albert – sind Vertreter einer mittleren Generation im österreichischen Autorenfilm. Mit Katharina Mückstein ist eine jüngere Regisseurin am Tun. Sehen Sie einen Zugang zum Erzählen, der sich von den erwähnten Filmemacher*innen unterscheidet.
 
MICHAEL KITZBERGER: So wie Katharina an die Arbeit herangeht, erweckt sie keineswegs den Eindruck, eine Nachwuchsregisseurin zu sein. Sie ist sehr sicher in ihren Entscheidungen, sehr gut vorbereitet. Das verbindet sie mit den Genannten. Katharina hat ebenso eine sehr klare Autorinnen-Handschrift, die auch schon Talea ausgezeichnet hat. Ein stärkerer Zug zum Poetischen ist wohl ein Unterschied im erzählerischen Zugang. Wie dann etwa einem Chanson eine tragende Rolle im Film zufällt, war schon beim Drehen ein Gänsehaut-Moment.
 
 
Der Cast hat sich rund um den Fixpunkt Sophie Stockinger zusammengesetzt. Wie kam die Besetzung zustande?
 
FLAVIO MARCHETTI: Katharina hat wie in Talea für das Casting mit Rita Wasilovics gearbeitet und schon in der Projektentwicklung viel gecastet und auch geprobt. Als Regisseurin gehört sie nicht zu den Improvisations-Fans. Sie hält sich stark an ihr Buch und bereitet sich sehr genau vor. Auf diese Weise ist sie am Set freier, auf die Gegebenheiten zu reagieren. Jack Hofer, Simon Morzé und Dominic Singer, die alle drei in Einer von uns gespielt haben, standen sehr schnell als die Freunde von Mati fest. Das war die Drehscheibe für alle andere Rollen. Julia Richter bekam ebenfalls sehr schnell den Zuschlag für die Rolle der Carla, Matis Freundin. Damit war das Ensemble rund um das Thema „Abschied von der Kindheit“ fertig.
 
MICHAEL KITZBERGER: Für die Eltern gab es lange Überlegungen und wir haben uns sehr gefreut, dass nun Kathrin Resetarits die Rolle von Matis Mutter spielt - eine Schauspiel-Wieder-Entdeckung, da sie ja in den letzten Jahren vor allem als Autorin, Dramaturgin, künstlerische Beraterin und Lehrende tätig war. Eine ausgetüftelte Drehplanung war für ihren Einsatz notwendig, da sie direkt von der Arbeit an Michael Hanekes neuem Film in Frankreich in den letzten Drehwochen zu uns gekommen ist. Ihren Filmehemann spielt kongenial Dominik Warta, der Matis Vater und dessen persönliche Zerissenheit wunderbar interpretiert.
 
 
Was bedeutet es für einen Produzenten, eine jugendliche Motorrad-Gang glaubhaft aufstellen zu müssen?
 
FLAVIO MARCHETTI: Es war wirklich komplex: die jungen SchauspielerInnen mussten in der Drehvorbereitung regelmäßig zum Fahrtraining und teils auch noch den Führerschein machen. Schließlich bedarf es einer rechtlichen Absicherung, auch wenn sie nur auf dem Set fahren. Trotz des Trainings, das im Frühling begann, erwirbt man nicht diese Sicherheit und Nonchalance, die jemand hat, der seit Jahren täglich fährt. Dazu kam, dass sich Katharina und Michael Schindegger einen sehr spektakulären Drehort für die Motocross-Szenen ausgesucht haben, nämlich einen aktiven Steinbruch, wo das Fahren viel schwieriger ist als auf Straße oder im Wald, weil es sehr rutschig ist. Unsere vier waren für Wiese und Straße schon ziemlich gut trainiert, wir merkten aber, dass die Verhältnisse im Steinbruch eine Stufe mehr an Erfahrung forderten und wir engagierten wirklich gute Stuntleute als Doubles. Die Schauspieler haben dennoch viel selbst gemacht - was uns noch mehr Aufregung beschert hat, waren streikende Motorräder, weshalb Katharina irgendwann meinte, das nächste Mal würde sie wohl eher wieder auf Pferde als auf Maschinen setzen.
 
 
Nach Licht, Barbara Alberts Kostüm- und Indoor-Film, klingt es so, als wäre das Outdoor-Projekt L’Animale nicht gerade die deutlich kleinere Aufgabe gewesen?
 
MICHAEL KITZBERGER: Als ich mir zu Beginn des Jahres den Kalender anschaute, dachte ich mir beim Blick auf August „Der schwierige Film wird dann schon hinter uns liegen.“ Die Tatsache, dass wir bei L’Animale so viele Motivwechsel und vor allem Außenmotive hatten, hat aber auch diesen Film zu einer großen Herausforderung gemacht. Für den August-Dreh hatten wir gehofft, die Wetterlage sei stabil. Dem war leider nicht so und wir mussten sehr viele Wetter-Cover ziehen. Ein Glück, dass der September noch so sommerlich war. Beeindruckend ist, wie gut das Team bei allen Herausforderungen funktioniert hat, das bestätigt sich vor allem durch Leute, die erst später im Drehverlauf dazu gestoßen sind und erzählen, wie schnell sie sich gut aufgehoben fühlten.
 


Interview: Karin Schiefer
Spetember 2016