In seinem Dokumentarfilm Schwimmer in der Wüste begibt sich Kurt Mayer auf die Spuren des als "englischen Patienten" berühmten Abenteurers László Almásy und der Männerträume
aus der Pionierzeit der Motoren.
Spuren in der Wüste, sind sie einmal durch ein entsprechendes Gewicht zusammengepresst, verschwinden nicht mehr. Auch die
Wagenspuren von László Almásys zweiter Afrikadurchquerung sind heute noch irgendwo zwischen Mombasa und Kairo vorhanden. Doch
Spuren hinterließ der 1895 geborene Wüstenforscher und Fliegerpionier nicht nur in der Wüste Afrikas. Von Edinburgh bis zu
einem Ort 800 Kilometer südlich der sudanesischen Hauptstadt Khartoum reichten die Plätze, die Regisseur Kurt Mayer für Schwimmer in der Wüste im Laufe seiner Erkundungsfahrten auf der Fährte seines Vater und der österreichisch-ungarischen Legende László Almásy aufsuchte.
Ursprünglich ins Rollen kam die Unternehmung durch eine verwaiste Kiste unbearbeiteten Filmmaterials. Durch Afrika im Automobil
lautete der Arbeitstitel eines nie fertig gestellten Films, den der renommierte Wochenschau-Kameramann Rudi Mayer, der Vater
des Regisseurs, hinterlassen hatte. Er war 1929 von Almásy für eine Afrikaexpedition in zwei Automobilen als Kameramann engagiert
worden, im Zuge derer Almásy einer legendären Oase namens Zarzura nachgehen wollte. Was er schließlich entdeckte, ist zwar
dem Zufall zuzuschreiben, besiegelte aber Almásys Reputation als Wüstenexperte: 9000 Jahre alte Felszeichnungen mit Abbildungen
von Schwimmern, die auf die Ursprungsbevölkerung des Niltals zurückgehen. Almásy, der Afrikakenner vor allem aber Almásy,
der Kolonialherr und Großwildjäger, nimmt auf dem restaurierten Originalmaterial Rudi Mayers Gestalt an. Almásy, der Agent,
der Sympathisant des Nazi-Regimes, Almásy und sein junger Geliebter sind Facetten der schillernden Figur, die im wirklichen
Leben offensichtlich noch viel komplexer war als es der Romanheld Michael Ondaatjes vermuten ließ. Sie kommt im Laufe dieser
sehr persönlichen Dokumentation zutage, die den Regisseur auf immer neue Fährten lotste, nicht zuletzt deshalb, da eine Reihe
von Leuten zur selben Zeit dem "wahren" Almásy auf der Spur waren.
Auf der Spur eines gestrandeten Piloten
Ehe Kurt Mayer in Richtung Nil aufbrach, rekonstruierte er in einem aufwändigen Verfahren die drei Stunden Material seines
Vaters, die zunächst aufgrund der schlechten Lagerung gar nicht kopierbar waren. 1996, gleichzeitig mit Minghellas romantischer
Hollywood-Version vom Englischen Patienten, war der Afrikafilm des Vaters fertig. "Der hat", so erinnert sich der Regisseur,
"sehr viele Leute fasziniert, als ein ganz tolles, fürchterliches aber wahres Zeitdokument". Im Oscar-Fieber wäre damit auch
schnelles Geld zu machen gewesen, doch Mayer entschied sich für den eigenen Weg. "Es ging nicht darum", so Mayer weiter, "einen
Heldenmythos aufblühen zu lassen. Almásy ist für mich das Symbol eines gestrandeten Piloten, der abgestürzt ist als Opfer
des Krieges". Mehr noch als die bestechenden Luftaufnahmen aus der Wüste dominieren Motoren, meist in Form von mehr oder weniger
tauglichen Automobilen, die Bilder aus Afrika. "Der Umgang mit Maschinen", erläutert der Regisseur, "ist für mich eine wichtige
Metapher für diese Männerwelten des vergangenen Jahrhunderts. Das Fliegen ist dabei das Symbol für den Höhepunkt dessen, was
man mit Maschinen zu erreichen wusste. Sich loslösen vom Boden und Vordringen in unbekanntes Gebiet". Almásy war der erste,
der eine kombinierte Auto-Flugzeug-Forschungsexpedition in die Sahara führte, Kurt Mayer verfolgte dieselbe Route vom Norden
in den Süden. "Suchen", so der Filmemacher, "heißt ja nicht, dass am Ende das Finden steht, man hat einen Weg zurückgelegt
und einen Kreis in der eigenen Geschichte geschlossen". Oder eine andere in Gang gesetzt. Kurt Mayer kam an dem Tag zur Welt,
als László Almásy starb. (ks)