INTERVIEW

Thomas Woschitz  über GIRLS AND CARS IN A NEW COLORED WORLD

 

«Ich hatte ursprünglich eine ganz andere Idee, aber da sich die Figuren verselbständigt haben, haben diese Josefs den Verlauf irgendwie geprägt und es ging nicht anders, als für Girls and Cars in diese Richtung weiter zu machen. Eigentlich habe nicht ich die Geschichte erfunden, sondern meine Charaktere haben sie mir vorgegeben. Und diese Art von Geschichtenerzählen kann gar kein abgeschlossenes Ende haben.» Thomas Woschitz über Girls and Cars in a new colored world, den dritten Teil seiner Josef Trilogie, der in der Semaine de la Critique in Cannes uraufgeführt wird.

 

War das Projekt immer schon als Trilogie geplant oder ist sie im Lauf der Zeit zu einer geworden?

THOMAS WOSCHITZ: Eigentlich ist es eine Trilogie geworden. Die Charaktere haben sich verselbständigt. Zu Beginn arbeitete ich an einem Alpen-Projekt, das damals vom BMUK initiiert wurde, da waren sie nur ganz kleine Randfiguren in einer Erzählung. Das Drehbuch dazu entstand 1995. Aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten war schießlich klar, dass wir den längeren Film nicht realisieren könnten und da boten sich die Josefs geradezu als meine Figuren an. Die grobe Linie stand fest, sie arbeiteten als Holzarbeiter und wollten nach Kanada auswandern. Ich machte zunächst einen zehnminütigen Kurzfilm Tascheninhalt und Nasenbluten. Blindgänger kam gleich danach. In Blindgänger steht die Geschichte einer Bauernfamilie im Vordergrund und parallel dazu wuchsen in einer Nebengeschichte die Josefs als sehr gleichwertige Figuren heran und rückten immer stärker in den Vordergrund.

 

Handelt es sich um vier voneinander unabhängige Figuren oder um die verschiedenen Facetten einer Person?

THOMAS WOSCHITZ:  Ja, es handelt sich eigentlich um eine Person. Die Variationen der Charaktere haben viel mit den Darstellern zu tun, die zum Großteil keine Schauspieler sind. Ihre Reaktionen kommen alle von einer Person. Ich hab das Drehbuch so geschrieben, dass immer nur Josef drinnen steht, nie welcher. Ich war der einzige, der das wusste, und die Darsteller erfuhren es erst am Drehort. Natürlich war es auf ihren Charakter hingeschrieben.

 

Steckt hinter dieser vielfachen Präsenz des Namens Josef eine biblische Anspielung?

THOMAS WOSCHITZ: Nein, es heißen dort einfach sehr viele Leute Josef. Es ist ja eine zeitlose Geschichte, die mit dem Klischee vom Auswanderland Kanada und den Holzfällern, die von einem neuen Leben in diesem Land träumen, spielt. In Kärnten, wo die ersten beiden Teile der Trilogie spielen, gab es in den sechziger Jahren eine große Auswanderungswelle von Holzarbeitern nach Kanada. In Girls and Cars kommen die Josefs in Kanada zu einem Holzfällerplatz, da gibt es aber nur mehr einen einzigen Holzfäller mit einer riesigen Maschine. So funktioniert das jetzt tatsächlich. Und den österreichischen Holzfäller-Freund, den sie suchen, finden sie in einer Fernsehwerbung, wo er als Holzfäller kostümiert für Motorsägen wirbt.

 

Girls and Cars ist die Kurzzusammenfassung der Träume vom neuen Leben der vier?

THOMAS WOSCHITZ:  Natürlich ist das die Erfüllung. Das können Männer vielleicht besser verstehen. Im Grunde sind die starken Personen natürlich die Frauen, auch gerade im letzten Teil. Die Josefs sind das ja gar nicht.

 

Der Stil ist von einem recht lapidaren Humor gekennzeichnet, der an Regisseure wie Kaurismäki oder Jarmusch erinnert.

THOMAS WOSCHITZ: Ja. Humor ist in allen drei Teilen ein sehr wesentliches Element. Ich will mich mit ihnen in keiner Weise vergleichen, aber das ist sicherlich eine Art von Humor, die mir nahe liegt. Aus dem Gedanken heraus, dass die Welt natürlich sehr tragisch, aber letztendlich auch witzig ist. Sie ist einfach tragisch-komisch.

 

Die ersten beiden Teile haben einen sehr lokalen, erdverbundenen Touch, im dritten geht es in die große Welt.

THOMAS WOSCHITZ: Das spiegelt sich formal in den Farben wider, im Gegensatz zu den beiden ersten Teilen, die in Schwarz-Weiß gedreht wurden. Dieser Wechsel spielt mit der Vorstellung von einer wirklich neuen, bunten Welt. Ich arbeitete bei den ersten beiden Teilen mit einem europäischen Kameramann, einem Italiener. Für den dritten Teil wollte ich einen Kanadier haben, der den Film mit seinem nordamerikanischen Blick fotografieren sollte. Beim Arbeiten, muss ich sagen, hab ich eigentlich keinen großen Unterschied gemerkt, aber jetzt im Nachhinein am Schneidetisch und bei der Abtastung ist es sehr deutlich geworden. Es wirkt irgendwie amerikanischer.

 

Das Bild des Tascheninhalts stellt eine Art Klammer her.

THOMAS WOSCHITZ:  Genau, es stellt inhaltlich eine Klammer zwischen dem ersten und dem letzten Teil der Trilogie her, und weist auch auf die Struktur hin, dass in kleinen Episoden erzählt wird.

 

Wie waren die Dreherfahrungen in Kanada?

THOMAS WOSCHITZ: Zeitlich war es ein extrem enges Programm, nur sechs Drehtage, was mir auch sehr leid getan hat. Die österreichischen Josefs. Sie kamen in der Nacht, am nächsten Tag wurde gedreht, wir drehten am letzten Drehtag bis in der Nacht an und am nächsten Tag mussten sie morgens wieder abreisen. Für das Casting hatten wir eine kanadische Casterin, gedreht wurde in Sudbury in Ontario. Das ist eine gar nicht so kleine Stadt mit 200.000 Einwohnern, aber tiefste Provinz, und so gab es überhaupt keine Probleme, irgendwo zu drehen. Sudbury ist eine Bergbaustadt und es überwog dort die Freude, dass Leute aus Österreich zu ihnen kommen, um einen Film zu machen. Für das Casting machten wir einen Open Call über Zeitungen und Radio, denn ich wollte größtenteils mit Leuten aus der Umgebung arbeiten. Wir machten auch in Toronto ein Casting, wo wir aber schließlich nur einen der Darsteller gefunden haben. Der Inder, der den kanadischen Josef spielt, sollte ursprünglich mit einem Indiander besetzt werden. Wir erfuhren interessanterweise im Nachhinein, dass es in den dreißiger Jahren eine große Auswanderungswelle von indischen Holzarbeitern nach Kanada gegeben hat. Insgesamt hat es sich jedenfalls ausgezahlt, dort zu drehen, um die Atmosphäre des Drehbuchs rüberzubringen.

 

Warum wollten Sie lieber mit Laien spielen?

THOMAS WOSCHITZ: Schauspielern fehlt es oft ein bisschen an Natürlichkeit. Und einer der Gründe, warum ich diesen dritten Teil unbedingt in Kanada drehen wollte, auch wenn es produktionstechnisch viel aufwändiger und komplizierter war, war, dass ich echte kanadische Gesichter wollte. Der, der den Holzfäller spielt, ist auch in Wirklichkeit Holzfäller und die Autoverkäuferin schaut einfach wie eine nordamerikanische Autoverkäuferin aus.

 

Wird es sicher keinen vierten Teil geben?

THOMAS WOSCHITZ: Ich denke nicht. Andererseits, sollte man niemals nie sagen. Schon für den dritten Teil ist sehr viel Zeit vergangen. Man sieht auch, dass alle Darsteller ein bisschen gealtert sind. 1995/96 haben wir die ersten beiden Teile gedreht. Ein kleiner Anstoß war Locarno, wo Blindgänger gelaufenen ist, und wir dort darauf angesprochen wurden, noch einen Teil zu machen. Wir sprachen oft darüber, ich schrieb sofort nach Blindgänger das Drehbuch, es ist aber im Schreibtisch liegen geblieben, bis wir sagten – jetzt ist die Zeit da, um es zu drehen. Deshalb kann ich jetzt auch nicht sagen, ob es noch einen Teil geben wird. Sicher nicht so schnell. Für mich hat sich die Geschichte eigentlich abgeschlossen. Ich hatte ursprünglich eine ganz andere Idee, aber da sich die Figuren verselbständigt haben, haben diese Josefs den Verlauf irgendwie geprägt und es ging nicht anders, als so weiter zu machen. Eigentlich habe nicht ich die Geschichte erfunden, sondern meine Charaktere haben sie mir vorgegeben Und diese Art von Geschichtenerzählen kann gar kein abgeschlossenes Ende haben.

 

Was bedeutet nun diese Einladung nach Cannes für Sie?

THOMAS WOSCHITZ: Wir sind zeitlich ganz schön unter Druck geraten, da wir eher auf Locarno hinarbeiteten. Eine Journalistin hat uns von der Pressekonferenz der Semaine de la Critique berichtet, dass dort angekündigt wurde: Wer wissen möchte, wie der österreichische Humor geht, der möge sich Girls and Cars anschauen. Es soll ein paar verwunderte Gesichter im Publikum gegeben haben.

 

Interview: Karin Schiefer (2004)