Wir sehen unsere Chance als österreichische Filmproduzenten darin, Projekte zu machen, die etwas riskieren. Alexander Glehr über die Dreharbeiten zu David Rühms IM SCHATTEN DES SPIEGELS, neue Facetten im österreichischen Genre-Kino
und das Ende der Rosenhügel-Studios.
Das Genre des Vampirfilm ist ein Novum im neueren österreichischen Film, was hat die Novotny Filmproduktion am Drehbuch von
IM SCHATTEN DES SPIEGELS gereizt?
ALEXANDER GLEHR: Für uns waren zwei Dinge ausschlaggebend: zum einen sind uns immer die Personen, mit denen wir arbeiten, sehr wichtig. Wir
suchen den erzählerischen Willen, der immer ein entscheidender Motivationsfaktor ist. Zum anderen ist es uns wichtig, originäre
Werke zu schaffen, Werke, die Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Wir sehen unsere Chance als österreichische Filmproduzenten
darin, Projekte zu machen, die etwas riskieren. IM SCHATTEN DES SPIEGELS erfüllt all dies.
Worin lässt sich in dieser Geschichte der erwähnte erzählerische Wille herauslesen?
ALEXANDER GLEHR: Das Kernthema in IM SCHATTEN DES SPIEGELS ist die Selbstfindung; das Genre der Vampirkomödie ist das erzählerische Werkzeug,
mit dem dieses Grundthema verhandelt wird. Unsere Zusammenarbeit mit David Rühm begann im Oktober 2007, zunächst mit verschiedenen
Ansätzen. Als dann die Vampiridee aufkam, war klar, dass dieses Setting die Ansätze am besten zusammenführt und fokussiert.
IM SCHATTEN DES SPIEGELS war also ein Buch, das in Zusammenarbeit zwischen Autor und Produktion entstanden ist?
ALEXANDER GLEHR: Die Zusammenarbeit war so wie man es sich wünscht. Wir waren das Korrektiv in den Entwicklungsschritten der Stoff- und Projektentwicklung.
Wir haben versucht, David zu begleiten, auf seine, die richtige Geschichte zu kommen.
Was ist der Inhalt, kurz umrissen?
ALEXANDER GLEHR: Der junge Maler Viktor streitet ständig mit seiner Freundin Lucy, immer wieder versucht er, aus ihr seine Idealfrau zu formen.
Lucy wehrt sich dagegen und begegnet einem mysteriösen Grafen, der gerade bei Dr. Freud in Behandlung ist, da er mit seiner
Frau nicht mehr kann. Der Graf, ein Vampir, wie wir bald erkennen, entdeckt in Lucy seine vor hunderten Jahren verstorbene
Liebe wieder. Aus diesem Konglomerat entspinnt sich eine Screwball-Komödie, in der es um junge und alte Liebe geht und in
der die Selbstfindung im Vordergrund steht.
Wie kam es zu diesem hochkarätigen Cast?
ALEXANDER GLEHR: Das Buch hat überzeugt. Die Geschichte ist nach dramaturgischen Richtlinien klassisch aufgebaut, dennoch weist sie die originären
Alleinstellungsmerkmale auf und versucht nicht, Bestehendes zu reproduzieren. So konnten wir Schauspieler aber natürlich auch
Finanziers überzeugen. Obwohl der Film ausschließlich in Wien spielt und in Österreich gedreht wird, gelang es uns, mit der
Hugo Film aus der Schweiz eine internationale Koproduktion aus dem Projekt zu formen. Als Schauspieler haben wir Tobias Moretti
als Grafen, Dominik Oley ist in seiner ersten Filmrolle als Viktor zu sehen, Cornelia Ivancan als Lucy, Jeannette Hain spielt
die Gräfin, David Bennent den Gehilfen des Grafen, der sich, wie der Koch Oskar, gespielt von Lars Rudolph, auch in Lucy verliebt,
Karl Fischer ist in der Rolle des Sigmund Freud zu sehen und Erni Mangold als grantelnde Nachbarin des jungen Paares.
Was bedeutet es in technischer Hinsicht einen Vampirfilm zu realisieren?
ALEXANDER GLEHR: In erster Linie ist es einmal ein historischer Film, das kommt als Aufwand noch vor den ganzen Besonderheiten, die das Genre
Vampirkomödie abverlangt. Das bedeutet von vornherein einen massiven Aufwand in Ausstattung, Kostümen und Maske - erhebliche
Kostenfaktoren, die zur Gestaltung des historischen Wiens der 1930er Jahre notwendig werden. Zusätzlich kommen Spezialeffekte
und Visuelle Effekte dazu, damit die Vampire dann auch das machen können, was Vampire eben so tun. Von der Budgetgröße her
sind wir bei 3 Mio. Euro.
Wo wurden die Außenlocations gefunden?
ALEXANDER GLEHR: Das war eine kleine Österreich-Rundfahrt, wir haben in Salzburg, Niederösterreich und Wien gedreht. Hauptlocations waren
in Niederösterreich – ein Schloss in Wolfsthal in der Nähe von Hainburg und in Wien die Dekoration des Malerateliers, die
wir in der Halle 1 der Rosenhügelstudios aufgebaut haben.
Innenaufnahmen wurden im Studio gedreht. Ein historischer Dreh auch insofern, als es der letzte Dreh vor der endgültigen Schließung
der Wiener Rosenhügel-Studios ist.
ALEXANDER GLEHR: Ja, wir haben ungefähr die Hälfte der Drehzeit in den Rosenhügel-Studios verbracht.
Was bedeutet diese Schließung nun für österreichische Produzenten, wenn es keine Studios mehr in Österreich gibt?
ALEXANDER GLEHR: Wirtschaftlich, für den Filmstandort, ist das fatal. Es war das letzte Studio in einer annehmbaren Größe in Österreich, damit
bricht eine für die Branche entscheidende Infrastruktur weg. Für österreichische Produzenten hat dies zur Folge, dass man
bei Projekten, die ein Studio brauchen, auf Städte wie Berlin, München, Bratislava oder Prag ausweichen wird. Damit findet
ein Großteil der Wertschöpfung nicht mehr in Österreich statt. Internationale Produzenten werden an Österreich vorbei planen,
Österreich verliert an Attraktivität als Drehort. Aber über den wirtschaftlichen Schaden hinaus tut mir der extrem hohe kulturelle
Schaden im Herzen weh. Ein Filmstudio, das seit mehr als hundert Jahren besteht, Geschichte gemacht und zur zeitgenössischen
Kunst und Kultur wesentliche Beiträge geschaffen hat, wird einfach zugesperrt. Dass niemand ein Problem damit hat, ist als
Aussage zu werten, spiegelt die Bedeutung des Filmschaffens in der Gesellschaft wider. Die Filmbranche muss betonen, dass
Film als Kulturgut viel stärker in der Gesellschaft verankert werden muss. Die Rosenhügel Studios zu schließen kommt mir vor,
wie wenn man aus dem Volkstheater eine Großraum-Disco machen würde. Der Unterschied ist, dass es in diesem Fall einen breiten
Aufschrei gäbe.
Was bewegte die Schließung? Mangelnde Standards, mangelde Rentabilität?
ALEXANDER GLEHR: Die österreichische Filmwirtschaft allein konnte die hohen Kosten zur Aufrechterhaltung des Studio-Betriebs gewiss nicht
decken. Das Studio war nicht am letzten Stand, da hätte zeitgerecht entsprechend investiert werden müssen. Die Halle 1, in
der wir drehen, ist nicht wirklich O-Ton-fähig, man hört den Regen auf das Dach prasseln, den stürmischen Wind, der in die
Balken fährt. Aber auch wenn die Rosenhügel-Studios in Wien nicht mit den voll ausgestatteten in München, Prag oder Bratislava
vergleichbar sind, so bieten sie dennoch enorme Erleichterungen für Dreharbeiten. Für den Film- und Medienstandort Österreich
ist es ein immenser, langfristiger Schaden, der nun entsteht. Ohne ein Bekenntnis der Gesellschaft, der Politik, ist es für
einen kleinen Markt wie Österreich unmöglich, eine zeitgemäße Film- und Medieninfrastruktur mit privatwirtschaftlichen Konzepten
aufzubauen oder zu erhalten. Dennoch ist diese Struktur eine der Grundvoraussetzungen, um auch in der Zukunft als Film- und
Medienstandort relevant zu sein.
Zurück zu IM SCHATTEN DES SPIEGEL. Der Film vereint mehrere Genres – Liebesgeschichte, Vampir-Komödie, Autorenfilm – welches
Kinopublikum möchte der Film erreichen?
ALEXANDER GLEHR: Wir zielen auf ein breites Arthouse-Publikum. Die Komödie trägt den Publikumsanspruch in sich, zwischen Schenkelklopfer-Publikum
und einem gebildeten, anspruchsvollen Publikum wollen wir eine Mitte finden. Filmstart ist im Herbst 2014, sofern in der Postproduktion
alles nach Plan läuft.
Wie sehen die Bilder aus, die bereits da sind?
ALEXANDER GLEHR: Martin Gschlacht macht die Kamera. Ihm bei der Arbeit zuzuschauen, ist eine Freude. Er schafft es, dem Ganzen einen eigenen
Look und Stil zu geben. Er denkt in großen Kinobildern, ohne Bestehendes zu kopieren. Das Darstellerensemble fügt sich großartig
zusammen, die Regie von David Rühm setzt die richtigen erzählerischen Akzente. Ich freu mich jedes Mal, wenn ich die neuen
Muster bekomme!
Interview: Karin Schiefer
Dezember 2013