INTERVIEW

Andreas Prochaska  über DAS FINSTERE TAL

Ich wollte die Gelegenheit nutzen, einen Genre-Film zu machen, der eine lokale Authentizität möglich macht.

 
Im Nachwort zu seinem Roman Das finstere Tal nennt Thomas Willmann zwei geistige Väter. Einer davon ist Sergio Leone. Wie macht man sich an die Adaptierung eines Romans, der schon wie ein Film geschrieben ist?

ANDREAS PROCHASKA:
Im Roman passiert ja auf den ersten hundert Seiten handlungstechnisch relativ wenig. Dazu gibt es im Kern der Handlung über 50 Seiten mit Rückblenden in verschiedene Zeitebenen. Wir hatten also zwei Fragen zu lösen: Zum einen – Wie findet man eine Struktur, die die Seele des Romans transportiert und zum anderen – Wie schafft man es, die Exposition so knapp wie möglich zu halten, um möglichst schnell in die Handlung einsteigen zu können. So entschieden wir uns, Luzi eine wichtigere Rolle zuzuschreiben und ihre ein Voiceover zu geben. Das erleichterte es uns, im Drehbuch andere zeitliche Zusammenhänge zu schaffen. Der Roman ist abgesehen von den Rückblenden sehr linear erzählt. Er beginnt im Herbst, Lukas und Luzi treffen sich heimlich, verlieben sich ineinander, während der Film schon kurz vor der Hochzeit einsteigt. Beim Lesen dachte ich noch, dass man den Showdown 1:1 für den Film übernehmen könne, was sich als Irrtum erwies. Greider ist im Roman ständig in der überlegenen Position, was im Film zu langweilig wäre. Irgendwann muss der Held in Bedrängnis kommen. Wir schmissen alles weg und schrieben den Showdown neu. Interessanterweise hat Thomas Willmann diese Änderungen alle gutgeheißen.

 
War er in den Drehbuchprozess miteinbezogen?


ANDREAS PROCHASKA: Nein, gar nicht. Ich habe mich ein Jahr lang um die Rechte bemüht, die bei ihm und nicht beim Verlag lagen. Ich hatte von Beginn an klargestellt, dass ich aus dem Stoff „meinen“ Film machen würde, ohne ihn in die Adaptierung einzubeziehen und irgendwann hat er seinen Roman in meine Hände gelegt.

 
Wie sind Sie auf diesen Stoff aufmerksam geworden?


ANDREAS PROCHASKA:  Ich war für den zweiten Teil von In drei Tagen bist du tot sehr viel in Tirol unterwegs und frage mich irgendwann, wie musste es wohl vor hundert Jahren gewesen sein, wenn ein Fremder in eine eingeschworene Dorfgemeinschaft kam. Ich stellte es mir ein bisschen wie im Wilden Westen vor und so begann ich, aktiv nach einem Stoff für einen Western zu suchen. An einem Wochenende saß ich beim Frühstück und entdeckte auf der Literaturseite des Kurier einen Hinweis auf den Roman – „archaische Rachegeschichte... Fremder kommt in die Berge... Mischung Western/Heimatroman.“ Das klang genau nach dem, was ich suchte. Ich war der erste, der mit Thomas Willmann Kontakt aufgenommen hat, danach hat sich dann die halbe deutsche Filmbranche angestellt. Willmann ist ja selbst Filmkritiker und ist, was den deutschen Film betrifft, gewiss überkritisch. Er wollte sich denjenigen, der den Film umsetzen würde, persönlich aussuchen. Als Österreicher war ich da eher ein unbeschriebenes Blatt. In 3 Tagen bist du tot 2 hat ihm sehr gut gefallen, weil da auch atmosphärisch sehr viel erzählt wird. Das hat in Kombination mit meiner Ehrlichkeit und meiner Hartnäckigkeit dann auch den Ausschlag gegeben.

 
Hatten Sie beim Lesen des Romans das Gefühl, einen lupenreinen Western vor sich zu haben oder nahmen Sie auch diese Mischung mit dem Heimatroman wahr, die von der Kritik geortet wurde?

ANDREAS PROCHASKA: Es war genau diese Mischung, die mich gereizt hat. Ich wollte keinesfalls das tun, was die Italiener bei den Spaghetti Western gemacht haben, nämlich italienische Schauspieler in Western-Kostüme zu stecken, die Dolomiten zu den Rocky Mountains zu erklären und alles dann Englisch zu synchronisieren. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, einen Genre-Film zu machen, der eine lokale Authentizität möglich macht. Auch sprachlich. Die Dorfbewohner sollten ihren Dialekt sprechen und der Fremde sein gebrochenes Deutsch.

 
Sie haben das Drehbuch gemeinsam mit Martin Ambrosch geschrieben. Wie haben Sie sich die Arbeit geteilt?

ANDREAS PROCHASKA: In einem ersten Schritt hab ich ihm den Roman geschickt und gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit mir ein Drehbuch daraus zu entwickeln. Ich wollte als Koautor eingebunden sein, weil es sehr visuell geschrieben werden musste. Es gab zwei Schlüssel dazu: der eine war, wie bereits erwähnt, Luzis Voiceover, das eine Annäherung an diese Textmasse ermöglichte. Und Martin hatte die Idee, aus dem Maler Greider einen Fotografen zu machen. Die Malerei ist filmisch problematisch, weil damit ein Stil und auch ein Inhalt verbunden sind, der für die Geschichte unwesentlich war. Als diese beiden Grundfragen geklärt waren, hat Martin eine erste Fassung geschrieben, ich schrieb die zweite und die darauf folgende Fassung ging bereits in die Filmförderung. Eigentlich war das Buch in fünf Wochen geschrieben. Es hat eine solche Energie freigesetzt. Am 21. Dezember 2011 hat mir Thomas Willmann den Zuschlag für die Filmrechte gegeben, im Februar begannen wir das Buch zu schreiben und im April reichten wir bei der Förderung ein, im Oktober begannen wir die Ausstattung zu bauen. Es war wie ein Home Run beim Baseball.

 
Der Fokus im Film ist sehr stark auf einer Person – Greider. Ihm kam in der Entwicklung der Geschichte gewiss ein besonderes Augenmerk zu. Sie haben einen düsteren, in sich gekehrten und wortkargen Greider entworfen. Warum?

ANDREAS PROCHASKA: Ich würde ihn nicht unbedingt als düster bezeichnen. Er ist belastet. Wenn man die Hintergrundgeschichte erfährt, die ihn in dieses Tal geführt hat, ist klar, dass er kein Sunnyboy sein kann. Dieses melancholische Element habe ich in Sam Riley wieder gefunden. Er musste jung und auch jemand sein, der von den Dorfbewohnern unterschätzt wird. Jemanden, dem man seine Gefährlichkeit ansah, hätten sie nie aufgenommen. Die Traurigkeit in seinem Wesen war ein wichtiger Punkt und was für mich als Subtext unter der gesamten Geschichte liegt, ist eine Suche nach Identität. Greider hat ja sehr viel mit diesem Tal zu tun, wie man später erfahren wird. Ich habe mit Sam vielmehr über Filme wir Drive, Shame oder Der eiskalte Engel als über klassische Western gesprochen.

 
In einem finsteren Bergtal Ende des 19./frühen 20. Jhs wurde nicht viel geredet, in einer Dorfgemeinschaft, die von einem Großbauern unterdrückt wird, wohl noch weniger. Umso mehr Gewicht war auf den Worten, die ausgesprochen wurden. War das Schreiben der Dialoge eine besondere Herausforderung?

ANDREAS PROCHASKA: Es gibt zwei sprachliche Ebenen. Die Dialoge und die Voiceovers, die auch eine eigene Sprache erfordert haben. Smalltalk war gewiss noch nicht Teil der Kommunikation, für die Dialoge hieß das, dass jedes Wort auf die Waagschale gelegt wurde. Dazu kam, dass wir einen Hauptdarsteller hatten, für den Deutsch nicht die Muttersprache ist. Von manchen Wörtern fiel ihm die Aussprache schwer. Da gab es in den Leseproben noch kleine Justierungen. Um für die Dorfgemeinschaft eine gemeinsame Sprache zu finden, haben Carmen Gratl und Martin Leutgeb, die beide Tiroler sind, die Dialoge aufgenommen und allen zur Verfügung gestellt. Alle Dialoge zusammen haben nicht mehr als 25 Minuten ausgemacht, der gesamte Film hat 115.

 
Haben Sie für die Rolle des Greider immer an einen englischsprachigen Schauspieler gedacht, der mit Akzent Deutsch spricht. Wie fiel die Entscheidung auf Sam Riley?

ANDREAS PROCHASKA: Es war naheliegend und wurde irgendwann zwingend. Die Entscheidung, einen englischsprachigen Schauspieler zu nehmen, hat auch ein Flair vom Wilden Westen und der weiten Welt in dieses Tal gebracht. Auf Sam Riley bin ich auf recht banale Weise gestoßen: Ich saß vorm Computer, ging auf Window-Shopping zu englischen Agenturen und stieß auf ein Foto von Sam, wo er wie Alain Delon in Der eiskalte Engel aussah. Ich erinnerte mich dann auch an Control und erwog gar keine Alternative mehr. Wir ließen ihm das Buch zuschicken und dann kam nach sechs Wochen ein knappes Mail der Agentur „Sam is not interested.“ Wie sich später herausstellte, hatte er das Buch nie gelesen gehabt. Als X-Filme dann an Bord war, gelangte das Buch dank Tom Tykwer über einen privaten Kanal in seine Hände, er las es innerhalb einer Woche und wir trafen uns in Berlin. Es war ein schönes Treffen. Ich war nervös und hoffte, er würde bereit sein, die Rolle zu spielen und ich merkte dann, dass auch er nervös war, weil er die Rolle unbedingt haben wollte. Er sagte, es sei für ihn ein Bubentraum, einen Westernhelden zu spielen und als Brite hätte er sich nie träumen lassen, so eine Figur spielen zu können, noch dazu in Deutsch. Der Faktor Glück ist beim Filmemachen immer groß.

 
Wie stellten Sie Ihr weiteres Ensemble aus sechs Brüdern, dem Bauern und den Dorfbewohnern zusammen?

ANDREAS PROCHASKA: Es war eine große Herausforderung, diese sechs Brüder zu finden, die in den Kostümen und bei den Tätigkeiten, die sie verrichteten, eine Glaubwürdigkeit hatten. Ich habe viel gecastet. Irgendwann fiel der Vorschlag Tobias Moretti. Ich zögerte zunächst, hab ihn dann getroffen und mir war klar, da führte kein Weg vorbei. Er hat das richtige Gesicht, die richtige Präsenz und er ist dieses Alpha-Tier, das diese Figur brauchte. Im Buch unterscheiden sich die Brüder nur durch ihre Bärte und ihr Alter, im Film hingegen versuchten wir, Archetypen zu finden: den dicken Gemütlichen, den Eitlen, den Schweigsamen, den leicht Verrückten. Sie mussten in dem Wenigen, das sie tun, unterscheidbar sein. Es gab für mich Fixstarter wie Helmut Häusler, der den Bruder mit der Augenklappe spielt, er hat ein Gesicht, das auf die Leinwand gehört. Martin Leutgeb war aufgrund seiner Statur prädestiniert, er ist ein wirklich netter Mensch der aber im Spiel eine dunkle Seite zeigen kann und zum Glück hatte er auch einen starken Bartwuchs, die Leute mussten ja über ein halbes Jahr den Anschluss wahren. Zu Erwin Steinhauer sagte ich, ich würde mir wünschen, dass er aussehe wie Jeff Bridges in Iron Man, mit Glatze und Vollbart. Er hatte nur fünf oder sechs Drehtage, er behielt aber seinen Look über ein halbes Jahr bei. Das macht einen Unterschied, wenn sich jemand auf so etwas einlässt. Paula Beer war ein Vorschlag unserer Münchner Casterin. Zunächst dachte ich, sie wäre besser für die Rolle von Greiders  Mutter in den Rückblenden geeignet, weil sie mir zunächst zu fein für dieses Bauernmädchen schien. Zum Glück hab ich ihr dann doch die Rolle der Luzi anvertraut. Sie hat es auch geschafft, sich diesen Tiroler Dialekt anzueignen. Ich hab der Rolle der Luzi nicht nur als Zugeständnis an ein weibliches Publikum größere Bedeutung zukommen lassen. Ich wollte, dass in dieser Männerwelt eine starke Frau versucht, gegen diesen Terror, der gegen Frauen herrscht, aufzustehen. Sie ist die einzige Figur, die gerettet wird. In Luzis Schicksal spiegelt sich das Schicksal von Greiders Mutter wider. Daher war es wichtig, für beide einen ähnlichen Frauentypus zu finden, der mit 17 etwas Jungfräuliches hat. Paula wurde während der Dreharbeiten 18 und sie hat sowohl diese Kraft als auch diese Unschuld.

 
Wo wurde der geeignete Talschluss für dieses entlegene Dorf gefunden?

ANDREAS PROCHASKA:  Ich war schon im Februar mit Leo Baumgartner, einem Tiroler Location Scout, unterwegs, um in Süd- und in Osttirol zu sehen, was es überhaupt gibt. Es war dann aufgrund der so viel besseren Fördersituation in Südtirol klar, dass wir dort drehen würden. So kam dann ein Vorschlag für den Brennerhof im Schnalstal. Das Schnalstal ist wie man es sich wünscht: es ist sehr hoch gelegen und hatte drei Höfe, die nur fünf Autominuten auseinanderlagen. Da musste man kaum Umbauten machen. Im Hof, der im Film der Hof der Gaderin war, lebt ein 70-jähriger Bauer allein. Wir gingen rein und man war in einer anderen Zeit. Man musste bloß die Stromleitungen abdecken. Logistisch hatte es den Vorteil, dass wir unsere Cover-Sets – die Kammer von Greider und die Küche dort drehen konnten. Der Marchegghof, ein großer Bauernhof, liegt ideal, man hat auf dem Weg der durch den Hof führt einen direkten Blick auf die Berge. Dort entstand das Dorf, mit Glockenturm und dem Wirthaus außen, dessen Eingang in Wahrheit eine überbaute Jauchegrube war.
Das Schnalstal hat also den Film erst möglich gemacht. Ursprünglich wollten wir die Kirche bauen, wofür wir glücklicherweise zu wenig Geld hatten und als Ersatz ein tolles Motiv fanden, eine Kirche auf einem Hügel in der Nähe vom Reschenpass, allerdings erlaubte uns  katholische Kirche in Südtirol aufgrund der Thematik nur Außenaufnahmen.
Wir fanden daraufhin ein aufgelassenes Kloster für das Innensetting. Die Originalkirche war innen weiß gestrichen und hatte einen Barockaltar. Das Kloster war viel rauer und karger und passte viel besser in unsere Geschichte. Alle „Niederlagen“ führten letztendlich zu viel besseren Lösungen.

 
Gingen die Dreharbeiten im Herbst und im Winter über die Bühne?

ANDREAS PROCHASKA: Nein, auch das führte zu Adrenalinschüben. Wir wussten erst im Herbst, dass wir das Budget beisammen hatten, für einen Herbstdreh war es zu spät. Wir begannen, im Winter zu drehen und versuchten, im Frühjahr das richtige Zeitfenster zu finden, um glaubwürdig den Herbst erzählen können. Nun ist es eine Besonderheit des Schnalstals, dass dort Lärchen wachsen. Sie verlieren im Winter die Nadeln und werden im Frühjahr giftgrün. Das Zeitfenster, wo der Schnee schon weg ist und die Lärchen noch nicht austreiben, war unkalkulierbar. Wenn man in den Talschluss hochfährt, dann gibt es eine Kurve, hinter der im Frühling, als unten schon alles grün war, noch alles braun und winterlich war. Wir schauten täglich mit Bangen auf die Bäume und es ging sich knapp aus.

 
Es sieht auf den Winterbildern nach tiefwinterlichen Drehbedingungen aus.

ANDREAS PROCHASKA: Es war zum Zeitpunkt, als wir dort waren, sehr wenig Schnee. So, dass ich mir ernsthaft Sorgen machte, dann hat es aber zwei Tage vorher ein bisschen draufgezuckert, was gut passte. Mit einem halben Meter Schnee auf den Dächern hätte der Anblick etwas zu Liebliches bekommen. Das Schnalstal ist sehr windig, was immer wieder schnell zu aperen Stellen geführt hat, die dem Film aber letztendlich den raueren und passenderen Look verpasst haben. Die Szene, wo der Brenner-Bauer das einzige Mal ins Dorf kommt, um seinen toten Sohn zu sehen, haben wir in einer Nacht mit minus 15 Grad gedreht. Gottseidank ohne Wind, sonst wären wir alle eingegangen. Im Team hatten wir entsprechende Kleidung, aber speziell für die Komparsen in den historischen Kostümen war es sehr heftig.

 
Im Roman kommt Greider ins Dorf um Bilder von der Landschaft und vom Dorfleben zu malen. Hier haben Sie sich im Film bewusst für ein anderes Medium – die Fotografie, genau genommen die Daguerreotypie – entschieden. Beides sind wie das Kino Techniken, die ein Abbild schaffen, um etwas Verborgenes zutage zu bringen. War diese Entscheidung auch eine Hommage ans Kino?

ANDREAS PROCHASKA: Ich würde jetzt gerne „ja“ sagen. Es war aber ganz offen gesagt für mich zum einen ein sehr starkes Western-Element und der „Zauberkasten“ bot Greider darüber hinaus die Möglichkeit, den Eintritt ins Dorf zu schaffen. Brenner bezeichnet ihn als „Spiegel mit Gedächtnis.“ Für mich boten die Daguerreotypien in Hinblick auf den Brenner-Bauern und sein Wissen, dass seine Zeit bald abgelaufen sein wird, eine Möglichkeit, noch sein Lebenswerk zu dokumentieren. Natürlich ist es in gewisser Weise auch eine Hommage an alles, was in der Lage ist, Realität in Bilder zu übersetzen. Fotos haben eine besondere Kraft, Emotionen einzufangen und zu transportieren.

 
Im Moment, wo Greider am Bett des alten Brenners steht, gewinnt das gnadenlose Morden des Rächers plötzlich Einhalt. Es ist eine sehr lange, entscheidende Szene zwischen den beiden Männern. Warum geben Sie dieser Szene so viel Raum?

ANDREAS PROCHASKA: Der Film hat drei Showdowns – die Schießerei im Wald, den Zweikampf mit dem Schmied und die Konfrontation zwischen dem alten Brenner und Greider. Für mich ist eine der Motivationen, warum Greider dieses Tal aufsucht, die Suche nach seiner Identität. Die Fragen, wer er ist und woher er kommt, lösen sich in dieser Szene auf. Ich meinte scherzhaft, es ist wie Luke Skywalker und Darth Vader, die hier zusammentreffen. Mir war es wichtig, bewusst zu machen, dass hier zwei Menschen sind, die mit ihren Taten konfrontiert werden und damit leben müssen. Es fallen wahrscheinlich gezählte zehn Worte in dieser Szene, allerdings ist jedes davon entscheidend. Was sich dazwischen abspielt, liefert in Wahrheit den Grund, weshalb die ganze Geschichte passiert ist. Es war toll, mit zwei so großartigen Schauspielern – einem der trotz seiner Jugend so viel Geschichte in sich trägt und einem älteren, Hans-Michael Rehberg –, die beide unheimlich aufeinander reagierten, diesen Drehtag erleben zu können. Es ist der springende Punkt für mich, dass Greider erkennt, wie sehr auch er Teil dieses Tals ist und warum er zu den Dingen, die er getan hat, fähig war. Gewiss nicht aufgrund der Erziehung durch seine Mutter. Das löst sich in dieser Szene in Greider.

 
Ist Greider ein Rächer oder ein Befreier?

ANDREAS PROCHASKA: Diese Frage darf jeder für sich selber beantworten. Ein entscheidender Moment im Roman, den ich auch unbedingt in den Film mitnehmen wollte, war der, dass sich nach vollzogener Rache zumindest im Dorf kein Gefühl der Befreiung einstellt. Das wirft spannende Fragen auf. Es gehört auch zu den Stärken dieser Geschichte, dass sie einen mit Fragen zurücklässt, die einen vielleicht noch am Tag danach beschäftigen.


Interview: Karin Schiefer
Jänner 2014