FEATURE

WORKINGMAN'S DEATH von Michael Glawogger

 

Michael Glawogger hat in Workingman's Death fünf imposante Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert gezeichnet und körperliche Schwerstarbeit an ihren äußersten Grenzen voll archaischer Intensität und tänzerischer Leichtigkeit sichtbar gemacht.


Arbeiter waren einst Helden. Aushängeschilder eines Regimes, stolze Träger einer Ideologie und von den Massen verehrte Idole. Immense Skulpturen zeugen noch vom Image der Arbeit unter einst kommunistischen Diktaturen. Blasse Minenarbeiter, die in nebengrauen Tableaux vivants die Posen der Arbeiter-Monumente nachahmen, vermitteln, was davon geblieben ist. Der ukrainische Don-Pass, ehemals mit Ansehen und Wohlstand gesegnetes Bergarbeiterland, blickt resigniert in die nicht allzu ferne Vergangenheit. Die Minen sind geschlossen, der Staat als Sockel für ein florierendes Arbeitertum verschwunden, die Stille der Untätigkeit hat sich über die verschneiten Halden ausgebreitet. Ehemalige Minenarbeiter gehen tagtäglich auf eigene Faust und Gefahr ihrer ehemaligen Arbeit nach, um wenigstens den eigenen Bedarf an Brennmaterial zu decken und fürs Nötigste zu sorgen. Die legendäre Arbeiterikone Stachanov soll einst 120 Tonnen in einer Schicht mit dem Presslufthammer zutage befördert haben, was ihn in den Status eines Nationalhelden erhoben hat.

Dieser Mythos hat Regisseur Michael Glawogger im Zuge der Recherchen zu Workingman’s Death in die Ukraine geführt und auch das Thema für die erste Episode geliefert. „Ich bin,“ so der Filmemacher, „auch bei der Sichtung verschiedenster historischer Dokumentarfilme über den Arbeiter oder die Heldenhaftigkeit des Arbeiters draufgekommen, dass die Arbeit selbst ganz selten dargestellt wird. Selbst dort, wo es um die Ikonisierung des Arbeiters ging, war der Arbeitsvorgang selbst fast immer ausgeklammert. Mich hat es im Gegensatz dazu interessiert, die körperliche Arbeit selbst zum Gegenstand des Filmes zu machen, und über diese sinnliche Erfahrung zur sozialen und politischen Positionierung zu gelangen.“ Helden und Geister In fünf Kapiteln und einem Epilog hat sich Michael Glawogger dem Verschwinden und der Unsichtbarkeit der körperlichen Arbeit gewidmet, Orte rund um den Globus aufgesucht, wo körperliche Arbeit in kaum vorstellbarer Intensität unter allgegenwärtiger Lebensgefahr zur scheinbar leicht bewältigbaren Routine geworden ist und das gesamte Dasein bestimmt. Berührende „Helden“ in der Ukraine, die angesichts des Niedergangs gelassen und ohne Bitterkeit ihrem Bergarbeitertum treu bleiben, auch wenn es keine verantwortliche und zahlende Struktur mehr gibt, für die sie sich täglich in die Finsternis wagen. Leichtfüßige „Geister“ in Indonesien, die täglich ihren Vulkan besteigen, Schwefelbrocken aus den giftigen Dämpfen am Kraterrand holen, die sie dann in siebzig Kilo schweren Körben mit täntzerischer Leichtigkeit zu Tal tragen. Brüllende „Löwen“ am nigerianischen Viehmarkt, wo in einem hocharbeitsteiligen Schaffen oft hunderte von Rindern und Ziegen vor den Augen der Kunden geschlachtet, enthäutet und gewaschen werden. Stille „Brüder“ in Pakistan, die in wenigen Wochen einen wuchtigen Hochseetanker in seine rostigen Einzelteile zerlegen.

Mit „Zukunft“ betitelt Glawogger seine letzte Episode, die Stahlarbeiter in China zu Wort kommen lässt und die Klammer zu den ukrainischen Kohlearbeitern schließt. Groß geworden mit dem kommunistischen Regimen eigenen Kult der physischen Arbeit, glauben die chinesischen Stahlarbeiter an ihre Zukunft, die nicht mehr in ihrer Muskelkraft ruht, sondern durch Know-how und technologisch gestützte Effizienz die Fortschrittlichkeit des politischen Systems unter Beweis stellt. Kraftvoll glüht und funkt es im Inneren der Stahlöfen. Wie lange diese Zukunft währt, ist eine der offenen Fragen, die Workingman’s Death in den Raum stellt: Eine mögliche Antwort liefert der Epilog. Schauplatz ist Duisburg Nord: Das ehemalige Werk hat sich zum Industriemuseum gewandelt, das Werksgelände bietet Raum für vielfältigen Outdoor-Spaß. In einer der deutschen Hochburgen der Stahlarbeit wird heute Geld mit der Freizeit verdient.
Karin Schiefer (2005)