INTERVIEW

«Momentan arbeiten wir in beiden Welten.»

Nach dem durchschlagenden Erfolg ihres Spielfilmdebüts Ich seh Ich seh hat es Veronika Franz und Severin Fiala über den Atlantik verschlagen. Nun sind sie nach der Episode Die Trud für The Field Guide to Evil  wieder mit einer abendfüllenden Erzählung zurück, um uns das Fürchten zu lehren. The Lodge entstand in Zusammenarbeit mit der britischen Genre-Institution Hammer Film und ist beim Sundance Festival in der Reihe Midnight zu sehen. Ein Gespräch über  Projekte hier und dort und das bevorstehende Remake von Goodnight Mommy.


Es ist vier Jahre her, dass Euer erster Spielfilm Ich seh Ich seh in Venedig Orizzonti seine Weltpremiere gefeiert und in der Folge einen unglaublichen Lauf mit internationaler Aufmerksamkeit hingelegt hat. Seither hat man in Österreich etwas die Spur über euer weiteres Tun verloren, weil mit diesem einen Film ein Sprung gelang, der euch internationales und englischsprachiges Arbeiten ermöglicht hat: The Field Guide to Evil, eine filmische Anthologie, für die ihr mit Die Trud einen österreichischen Sagenstoff verfilmt habt, ist im letzten Jahr in Austin (TX) beim South By Southwest Festival uraufgeführt worden. THE LODGE, euer erster englischsprachiger Langfilm, wird im Jänner beim Sundance Festival 2019 seine Weltpremiere feiern.
 
Was waren die entscheidenden Ereignisse bzw. Begegnungen dank Ich seh Ich seh, die diesen internationalen Start ermöglicht haben?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Der Film, der vor allem in den USA und Südamerika bzw. in der internationalen Genrewelt gut angekommen ist, hat uns viele ungeahnte Begegnungen ermöglicht. Ohne Agentur im Rücken in den USA zu arbeiten ist äußerst schwierig, da Agenturen ja nicht nur Regisseure, sondern auch Schauspieler, Komponisten, Kameraleute etc. unter Vertrag haben, und versuchen, diese als eine Art Paket an die Finanziers und Produktionsfirmen zu bringen. Das gibt den Agenturen viel Einfluss und macht es schwierig, ohne sie auszukommen. Also war der erste Schritt, dass wir zu einer Agentur ja gesagt haben, in unserem Fall: WME. Bei dieser Wahl hatten wir Glück, unser Agent betreut auch Regisseure wie Damien Chazelle (LaLaLand) oder Andy Muschietti (It). Einerseits hat man uns dann gleich viele Drehbücher angeboten, andererseits hatten wir auch eigene Ideen, die wir pitchen konnten. So haben wir  auch interessante Produzenten wie Michael de Luca oder Regisseure wie Sam Raimi kennengelernt. Mit beiden arbeiten wir an nächsten Filmprojekten. Daneben gibt es auch ein Serienprojekt auf Basis von Stephen Kings Carrie. Das Wichtigste ist uns aber, dass wir hoffentlich als nächstes Projekt den historischen Genrefilm Des Teufels Bad in Österreich machen können, zu dem der ORF und der ÖFI schon ja gesagt haben.
 
 
Was war die Idee hinter The Field Guide to Evil? Welche Episode habt ihr dafür geschrieben?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Der Produzent hinter The Field Guide to Evil ist ein Neuseeländer und hat auch die überaus erfolgreiche Horror-Anthologie von ABCs of Death produziert. Wir haben ihn in Wien durch beim Slash-Filmfestival kennengelernt. Das Motto des Episodenfilms sind lokale Mythen und Sagen. Acht internationale Filmemacher, darunter etwa der großartige Peter Strickland, waren eingeladen für ein sehr, sehr kleines Budget 12-minütige Filme zu machen. Uns ist ehrlich gesagt lange keine Sage eingefallen, bis uns die Mutter von unseren Zwillingen aus Ich seh Ich seh von der „Trud“ erzählt hat. Das ist ein sagenhaftes Wesen, das sich nächtens auf die Brust von Menschen und Sündern setzt und ihnen die Luft abdrückt. Heute würde man vielleicht Panikattacke dazu sagen. Wir haben daraus eine Geschichte über zwei junge Frauen vor 200 Jahren gemacht, die sich ineinander verlieben, was natürlich in dieser Zeit streng verboten ist. Ihre Schuld materialisiert sich dann in dem Monster, der Trud. Gedreht haben wir im Waldviertel. Vor der Kamera standen mit Marlene Hauser und Luzia Oppermann zwei unglaublich begabte Jungschauspielerinnen, Birigit Minichmayr spielt eine Mutter und hinter der Kamera ist wie bei Ich seh Ich seh wieder Martin Gschlacht gestanden. Wir haben wieder auf 35mm gedreht, auf abgelaufenem Fuji-Material aus einem Kopierwerk in Budapest, das wir fast umsonst bekommen haben. Der 19-minütige Film war für uns im übrigen auch eine Vorübung für unseren historischen Film Des Teufels Bad
 
 
THE LODGE bedeutet die Zusammenarbeit mit der britischen Produktionsfirma Hammer Films. Welchen Status hat diese Firma in der Welt des Genrefilms?
Seid ihr ausschließlich als Regisseure unter Vertrag oder habt ihr das Drehbuch weiter- und mitentwickelt?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Hammer Films ist ja eine legendäre britische Filmfirma, die von den dreißiger Jahren bis in die Achtziger Meilensteine des Gothic Horrors produziert hat. Ihren Höhepunkt hatte die Firma in den fünfziger Jahren, in denen sie mit Neufassungen von Frankenstein oder Dracula (mit Christopher Lee!) echte Genre-Klassiker schuf. Vor zehn Jahren hat Hammer Films dann wieder aufgesperrt. Wir waren sehr stolz, dass wir kontaktiert wurden: Sie haben uns ein Drehbuch des Schotten Sergio Casci angeboten, das wir dann über Monate umgeschrieben und weiterentwickelt haben. Das war ehrlich gesagt fast mehr Arbeit, als gleich ein neues Drehbuch zu schreiben. Finanziert wurde THE LODGE dann mit Geld aus den USA und zwar von der Firma Film Nation, einer Vetriebs- und Produktionsfirma, die zuletzt etwa mit Filmen wie Arrival oder The Founder Welterfolge gefeiert hat.
 
 
Welchen Sprung hinsichtlich Produktionsbedingungen (nicht nur budgetär) hat dieses Projekt für euch bedeutet?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Viele Hollywood-Filme werden aus finanziellen Gründen in Kanada gedreht, weil es dort ein Steuervorteilsystem gibt. Und so war es auch bei uns. Der Film ist Anfang des heurigen Jahres in der Gegend rund um Montreal entstanden. Da gibt es zwar keine Berge, wie das ursprünglich im Drehbuch vorgesehen war, aber da muss man dann halt als Regisseur umdenken bzw. umschreiben. Und Wald und Einsamkeit gibt es in Quebec ja mehr als genug. Wir sind sehr stolz, dass wir den Griechen Thimios Bakatakis als Kameramann gewinnen konnten, der u.a. die Yorgos Lanthimos-Filme belichtet hat und wir haben wieder auf 35 mm gedreht, was nicht gerade einfach war durchzusetzen. Weil Geld ist beim Film immer knapp, in Hollywood wie auch in Österreich.
 
 
Für 2019 steht der Dreh für das englischsprachige Remake von Ich seh Ich seh/ Goodnight Mommy bevor. Wie seid ihr in dieses Projekt eingebunden?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Ja, das sind wir tatsächlich und stolz darauf. Der US-Produzent des Remakes, David Kaplan, ist eine beeindruckende Persönlichkeit und hat zuletzt den Welterfolg It Follows produziert, der europäische Initiator des Remakes ist die französische Firma Playtime, die auch den Weltvertrieb von unserem Original Ich seh Ich seh gemacht hat. Wir haben bereits Drehbuchautor und Regisseur in Los Angeles kennengelernt und werden demnächst den ersten Drehbuch-Entwurf der beiden lesen können. Offiziell tragen wir den Titel Executive producers.
 
 
Sehnsucht nach Arbeiten in Europa oder einfach Lust auf mehr in größeren Dimensionen?
 
VERONIKA FRANZ & SEVERIN FIALA: Schwierig zu sagen. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile und man muss bei jedem Projekt abwägen, für welches System es besser geeignet ist. Bei unserem Dreh in Amerika haben wir uns jedenfalls immer wieder nach der Freiheit und Intimität gesehnt, mit der in Österreich Filme gemacht werden können. Andererseits war die kanadische Filmcrew großartig, handwerklich wie künstlerisch, und die US-Schauspieler in einer Liga, in der hierzulande nur wenige mitspielen können. Das verführt natürlich, wieder dort arbeiten zu wollen. Momentan arbeiten wir deshalb an Projekten in beiden Welten: Wir bemühen uns um die Finanzierung eines historischen Genre-Films, den wir in Oberösterreich drehen werden. Ein US-Projekt wiederum handelt von Flüchtlingen auf einem Containerschiff: The Fortress, so lautet Arbeitstitel. Dafür sind wir bei Universal unter Vertrag und müssen im Sommer das Drehbuch abgeben. Was uns in erster Linie interessiert, ist die Herausforderung, neue Schritte zu machen und weiter lernen zu können. Das kann bedeuten, einen ersten historischen Film in Österreich zu machen, oder im US-Studio-System zu bestehen.


Interview: Karin Schiefer
November 2018